Es hatte früh am Morgen mal geregnet, als es schon hell war. Es hörte bald auch wieder auf.
Ich war wohl einer der ersten von unserer Gruppe, der aufgestanden war. Ich ging über das Gelände vor dem Geisterhaus zum Fluss. Ich ging auch hinter das geheimnisvolle Haus die Allee entlang, an deren Anfang ein Klappholztisch mit Klapppartybänken stand, darauf noch Reste vom Essen der hier arbeitenden Männer vom Abend zuvor. Im Morgenlicht machte ich noch mal Fotos von dem Haus von der Flussseite her. Von der Rückseite aus sieht man, wie schief das Dach dieser Villa ist, und dass es schlecht repariert wurde, mit Teer geklebte Bahnen.
Das Frühstück war wieder ungewöhnlich. Milchreis mit bunten Zuckerstücken, vielleicht noch übrig von der letzten Hochzeit oder Kinderfeier? Die Piroggen mit Quarkfüllung waren gut. Aber das Frühstück war zu kärglich, wie man auf einem Foto in der Galerie sehen kann. Nicht mal Butter oder Margarine gab es für das wenige Weißbrot.
Dabei stand uns heute eine lange Strecke bevor.
Heute bin ich (und sind die meisten unserer Gruppe) noch mal zehn Kilometer mehr gefahren als gestern. 110 Kilometer insgesamt. Tracy hatte schon vor drei Tagen angekündigt, dass sie das nicht fahren wollte. Lieber würde sie ein Taxi bezahlen. Naja, sie konnte dann später die restlichen Kilometer mit Andrej mitfahren (siehe unten). Sie fuhr ja am Morgen doch erst mal mit dem Rad los.
Tracy und ich fuhren als Letzte von der Datscha Bor ab. Wieder mal die Letzten. Auf dem Grundstück vorn auf dem Parkplatz stand ein schwarzer Hummer, das Fahrzeug des Eigentümers. Und ein deutscher Postbus, ein Mercedes-Transporter mit russischem Kennzeichen; und ein Feuerwehrauto, wobei ich mich fragte, ob es auch funktioniert.
Wie ist dieses deutsche Postauto wohl hierher gekommen? Was ist die Geschichte dahinter, fragte ich mich.
Man fährt den Weg ein Stück durch den Wald, bis zu der Einmündung, an der wir gestern eine Viertelstunde gewartet haben. Wieder auf der Straße – gutes Radfahren. Wir fuhren an Sümpfen und Seen vorbei. Wellige schöne Landschaft. Kaum Verkehr.
Wir fuhren durch einen Ort und stoppten am Friedhof. Wladimir und Swetlana berieten, Wladimir fragte eine Frau etwas, vielleicht nach dem Glockenturm in Schuja. Währenddessen fotografierte ich die Tesa, an der ich heute morgen noch mal gestanden hatte, weiter entfernt hinter den Wiesen. Leider fehlte uns hier die Zeit für die Besichtigung des Friedhofs mit den alten Gräbern. Wir waren nur kurz drauf, in der Nähe des Eingangs: Tracy, die Jungen und ihre Mutti. Da war eine alte Frau, die die Jungen fragte, ob sie mal was sehen wollen. Tracy und ich bekamen das mit. Ich wäre mitgegangen. Aber wir wurden leider zurückgerufen. So entging uns vielleicht eine interessante Geschichte.
Nach fünf Minuten Weiterfahrt auf dem Fahrrad waren wir im Zentrum von Schuja.
Schuja
Schuja ist die drittgrößte Stadt im Bezirk Iwanowo mit etwa 60.000 Einwohnern. Sie liegt etwa 300 Kilometer nordöstlich von Moskau und 32 Kilometer südöstlich von Iwanowo.
Website: http://www.okrugshuya.ru/biznes/turizm.php
Swetlana erklärte uns die Bedeutung des frei und nach meinem Eindruck leicht schief stehenden Glockenturms, aber die Akustik...
Er ist mit 106 Metern der höchste freistehende Glockenturm weltweit. Rein, gar innen hoch gehen wir leider nicht möglich. Für alle geöffnet wird der Turm nur zu Ostern. Die weiße Farbe des Turms blättert ab. Davor steht eine Skulptur mit einer kleinen Frau mit Zopf und zwei Gläubigen, den einen stößt sie und er fällt nach hinten.
Wir fahren über die Flaniermeile der Kleinstadt. Im Voraus sieht man dunkle Regenwolken.
Am Lenin-Denkmal haben wir noch mal kurz gestoppt, ohne was über Lenin zu hören. Fast jede Stadt in Russland hat mindestens ein Lenin-Denkmal.
Vermutlich sind wir dann eine Straße in Richtung Lejnewo gefahren. Hinter diesem Ort führt die Schnellstraße M7 entlang. Auf der mussten wir fahren. Eine gute halbe Stunde hinter Schuja später stand am Ende eines Dorfes eine Kirche, in die ich reinging, als die meisten schon weiterfuhren, Tracy folgte mir; nur Wladimir war noch am Straßenrand im Gespräch mit einem Dorfbewohner. Drinnen ist es dunkel, starker Duft von Weihrauch und ein Bild von Jesus Christus, dass ich fotografierte, wegen der Dunkelheit etwas verwackelt, unscharf, aber interessant. Tracy fand den Ort mystisch, es war geheizt, obwohl es überhaupt nicht kalt draußen war.
Wir kommen in einen Ort, in dem es geregnet hat, umkreisen die Pfützen der löchrigen Straße. Dann fahren wir durch Wald und vorbei an Sumpf, in der Nähe die Wolga. Lange geradeaus, über gerissenen Asphalt. Inzwischen ist es wärmer geworden, die Wolken sind verdampft. Am Straßenrand sehe ich wieder schöne Ruinen (Fotos).
Wir kommen in einen Ort, der sich vor allem entlang einer Straße zieht, ich sehe fünf Taxiladas nebeneinander. Im Zentrum ein kleines Kaufhaus. Gehe rein und hole mir Eiskrem, Tracy geht ins obere Stockwerk, um sich eine neue Mütze holen, denn ihre hat sie verloren. Eine Schirmmütze, die sie am Abend beschneidet, um dann nur den Schirm zu nehmen, wie ihn Tennisspielerinnen bei blendender Sonne benutzen.
Wir kommen auf eine große Straße, mit noch neuem Asphalt, die M7 wieder. Die Fahrt auf der M7 war öde. Ich hatte Durst, musste das Wasser in meiner kleinen Flasche gut einteilen. Es war heiß auf der Straße, wir treten so die Kilometer runter an einer stark befahrenen Straße. Das war ein Abschnitt, der keinen Spaß machte. Lässt sich leider nicht ganz vermeiden für so eine mehrtätige Tour in der Provinz. Dann eine Abzweigung zum Rubskoje-See, an der es eine Tankstelle gibt, so gegen 14.20 Uhr. Vermutlich bei Sinnaja Ososchka. Andrej stoppt dann auch seinen LKW. Der Schatten ist rar an dieser Stelle. Ein paar von uns Männern verziehen sich auf der Suche nach Getränken zu einen Shop fünfzig Meter von der Tankstelle. Ich kaufe mir eine Flasche Kwas. Wir sitzen im Schatten. Wladimir holt uns, sagt, wir sind gleich am See, wo wir uns erholen können. Die Männer haben wenig Lust, schon weiter zu fahren. Es sind noch zwei Kilometer durch Wald.
Fairwell dinner am Rubskoje-See
Ich lasse mir meinen Rucksack vom Truck heruntergeben, um mein Handtuch und die Badehose herauszuholen, und Notizzeug. Unsere Gruppe geht nicht zusammen zum Strand. Dort, wo Tracy und ich etwas Gras unter Birken oder jungen Erlen gefunden haben für mein Handtuch, auf dem wir sitzen und den Leuten und Kindern beim Plantschen zusehen, gesellen sich dann Swetlana und Wladimir. Rechts ein Stückchen weiter sitzen zwei Männer auf Plastikstühlen. Die vermieten hier die Ruder- und Tretboote.
Ich gehe dann auch mal für eine kurze Zeit ins Wasser, als die Zeit fast um ist, die uns für die Strandpause gegeben worden war. Wir denken, dass jetzt unser Abschluss-Picknick kommt. Doch überrascht stelle ich dann fest, als ich zum LKW komme, dass die meisten unserer Gruppe schon weggefahren sind, nur noch Tracy und die Organisatoren da.
Die meisten sind schon mit ihren Rädern losgefahren, ohne das gemeinsame Essen – Es ist auch die lange Distanz des Tages, 110 Kilometer. Wie kann man da noch am See Zeit verbummeln, mögen sie gedacht haben. Und zugegeben, so bequem war dieses Plätzchen für ein Picknick nun auch wieder nicht. Mal wieder typisch russisch improvisiert. Keine Hocker, keine Sitzkissen, keine Decken zum Ausbreiten auf dem Boden. War also nichts besser als sonst, wenn wir Picknickpause machten, außer dass wir nicht an der Straße waren, sondern an einem inoffiziellen Parkplatz unter Bäumen am Badesee.
Tracy macht klar, dass sie jetzt bei Andrej mitfährt. So bin ich mit Wladimir der letzte Radfahrer. Die anderen haben einen größeren Vorsprung. Swetlana fährt mit ihrem Auto weiter.
Nach einigen Kilometern auf dem heißen Asphalt überqueren wir beide die Nerl. Ich bin zu der Zeit mit [...Next]